(Nr. 1073.)
Vertrag zwischen Preußen und dem
Deutschen Reiche über die Abtretung der Preußischen Bank an das
Deutsche Reich.
Vom 17./18. Mai 1875.
(Договор между Пруссией и
Германской империи о переподчинении Прусского Банка Германской
империи.)
Auf Grund der im §. 61 des Bankgesetzes vom 14. März d. J. (Reichs-Gesetzbl.
S. 177) und im §. 1 des Gesetzes vom 27. März d. J. (Preuß. Ges.
Samml. S. 166) ertheilten Ermächtigungen ist zwischen dem
Reichskanzler Fürsten von Bismarck Namens des Deutschen Reichs
einerseits, und dem Königlich preußischen Finanzminister,
Vize-Präsidenten des Staatsministeriums Camphausen, sowie dem
Königlich preußischen Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiten Dr. Achenbach Namens der Königlich preußischen
Staatsregierung andererseits, folgender Vertrag abgeschlossen worden:
§. 1.
Der preußische Staat zieht sein Einschußkapital bei der Preußischen
Bank von 5.720.400 Mark und seinen Antheil von deren Reservefonds
mit 9.000.000 Mark mit dem 1. Januar 1876 zurück.
Mit diesem Tage geht die Preußische Bank nach Maßgabe dieses
Vertrages mit allen ihren Rechten und Verpflichtungen auf das Reich
über.
Das Reich wird diese Bank auf die Reichsbank (§. 12 des
Reichsbankgesetzes) übertragen.
Die Uebergabe der Preußischen Bank an das Reich erfolgt in der Art,
daß der Chef der Preußischen Bank das Vermögen der letzteren dem
Reichsbank-Direktorium von dem gedachten Tage ab schriftlich zur
weiteren Verwaltung überweist.
§. 2.
Die Beamten der Preußischen Bank werden unter Beibehaltung ihres
Ranges, ihrer Anziennetät und ihres Diensteinkommens von der
Reichsbank übernommen.
Beamte, welche in den Dienst der letzteren überzutreten nicht
geneigt sein sollten, werden von der Königlich preußischen
Staatsregierung einstweilig in den Ruhestand versetzt. Ansprüche auf
Diensteinkommen, Wartegeld oder Ruhegehalt, welche ein Beamter der
Preußischen Bank für die Zeit vom 1. Januar 1876 ab zu erheben
berechtigt ist, sind von der Reichsbank zu vertreten. Dasselbe gilt
von den Bezügen der Hinterbliebenen von Beamten der Preußischen Bank
mit Ausschluß der bei der Königlich Preußischen Allgemeinen
Wittwen-Verpflegungsanstalt versicherten Pensionen.
§. 3.
Preußen erhält vom Reiche für Abtretung der Preußischen Bank eine
Entschädigung von 15.000.000 Mark, welche aus den Mitteln der
Reichsbank zu decken und Preußen vom 1. Januar 1876 ab zur Verfügung
zu stellen ist.
§. 4.
Den bisherigen Antheilseignern der Preußischen Bank wird die
Befugniß vorbehalten, innerhalb einer von dem Reichskanzler zu
bestimmenden Frist gegen Verzicht auf alle ihnen durch ihre
Bankantheilsscheine verbrieften Rechte zu Gunsten der Reichsbank den
Umtausch dieser Urkunden gegen Antheilsscheine der Reichsbank von
gleichem Nominalbetrage zu verlangen. [216]
§. 5.
Die Reichsbank übernimmt die Befriedigung der Ansprüche, zu deren
Erhebung die legitimirten Eigner solcher Antheilsscheine der
Preußischen Bank berechtigt sind, welche nicht nach §. 4 gegen
Reichsbank-Antheilsscheine umgetauscht werden. Die Reichsbank hat
demgemäß vom 1. Januar 1876 ab diesen Antheilseignern die Zahlung
ihres Einschußkapitals, sowie ihres Antheils am Reservefonds nach
Maßgabe der Bestimmungen in den §§. 16 und 19 der Bankordnung vom 5.
Oktober 1846 zu leisten.
§. 6.
Die Reichsbank zahlt zur Erfüllung der von der Preußischen Bank
durch den Vertrag vom 28./31. Januar 1856 hinsichtlich der
Staatsanleihe von 16.598.000 Thlr. übernommenen Verbindlichkeiten an
Preußen vom 1. Januar 1876 ab jährlich 621.910 Thlr. = 1.865.730 M
in halbjährlichen Raten. Diese Verbindlichkeit erlischt mit dem 1.
Juli 1925, so daß für das Jahr 1925 nur der an diesem Tage fällige
Betrag von 310.955 Thlr. = 932.865 M zu zahlen ist.
Wird die Konzession der Reichsbank nicht verlängert, so wird das
Reich dafür sorgen, daß, so lange keine andere Bank in diese
Verpflichtung eintritt, die Rente bis zu dem gedachten Zeitpunkte
der preußischen Staatskasse unverkürzt zufließe.
Das der Preußischen Bank in dem Vertrage vom 28./31. Januar 1856 in
Verbindung mit dem Uebereinkommen vom 22. April 1874 zugestandene
Recht, einen dem jedesmaligen, gemäß §. 6 des Vertrages vom 28./31.
Januar 1856 festzustellenden Betrage des Tilgungsfonds der
Staatsanleihe von 1856 gleichen Betrag in Schuldverschreibungen der
4½ prozentigen konsolidirten Staatsanleihe nach dem Nennwerth an die
preußische Staatskasse abzuliefern und auf die zu zahlenden Raten
von 621.910 Thlr. abzurechnen, erlischt mit Ablauf des Jahres 1875.
§. 7.
Die Vermögensbilanz und die Gewinnberechnung der Preußischen Bank
für das Jahr 1875 werden in Gemäßheit der §§. 95 und 96 der
Bankordnung vom 5. Oktober 1846 und der seither beobachteten
Grundsätze durch das Reichsbank-Direktorium unter Mitwirkung des
Zentralausschusses der Preußischen Bank und seiner Deputirten
aufgemacht und mit den Vorschlägen über die Vertheilung des Gewinnes
und die Höhe der Dividende für die bisherigen Antheilseigner der
Preußischen Bank dem Königlich preußischen Minister für Handel,
Gewerbe und öffentliche Arbeiten zur definitiven Festsetzung und
Ertheilung der Decharge eingereicht.
§. 8.
In die Bilanz (§. 7) sind die Grundstücke der Preußischen Bank zu
demjenigen Betrage aufzunehmen, welcher im Einverständniß mit dem
Reichskanzler als der wirkliche Werth derselben ermittelt ist. [217]
Die nach §. 61 Ziffer 6 des Bankgesetzes vorbehaltene
Auseinandersetzung Preußens mit der Reichsbank wegen der gedachten
Grundstücke ist damit vollzogen. Nachforderungen wegen etwaigen Mehr-
oder Minderwerths sind ausgeschlossen.
§. 9.
Die Reichsbank übernimmt, so lange die Königlich preußische
Staatsregierung es verlangt, die fernere Einziehung der in Nr. II.
der Königlich preußischen Kabinetsordre vom 18. Juli 1846
bezeichneten Aktiva für Rechnung des preußischen Staats in derselben
Weise, wie solche bisher der Preußischen Bank obgelegen hat. Die
darauf erfolgenden Eingänge sind an die preußische Staatskasse
abzuführen.
§. 10.
Der auf Grund der in den §§. 7 und 8 gedachten Verhandlungen zu
entwerfende Verwaltungsbericht nebst dem Jahresabschlusse für das
Jahr 1875 wird von dem Königlich preußischen Minister für Handel,
Gewerbe und öffentliche Arbeiten einer spätestens auf den 31. März
1876 durch ihn zu berufenden Versammlung der Meistbetheiligten
vorgelegt, welcher das Reichsbank-Direktorium beiwohnt.
Dieselbe wird aus denjenigen 200 Personen gebildet, welche nach den
Stammbüchern der Preußischen Bank am 31. Dezember 1875 die größte
Anzahl von Antheilen derselben besessen haben, gleichviel ob sie den
Umtausch gegen Reichsbank-Antheilsscheine (§. 4) verlangt haben oder
nicht. Im Uebrigen kommen die §§. 61 bis 65 und 97 der Bankordnung
vom 5. Oktober 1846 mit den sich aus der Natur der Sache ergebenden
Aenderungen auch auf diese letzte Generalversammlung zur Anwendung.
Die Auszahlung der Restdividende gegen Einreichung der betreffenden
Dividendenscheine an den von dem Königlich preußischen Minister für
Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten zu bestimmenden Orten
übernimmt die Reichsbank.
§. 11.
Vorbehaltlich der in dem gegenwärtigen Vertrage enthaltenen
Bestimmungen hören die durch die Bankordnung vom 5. Oktober 1846,
das Gesetz vom 7. Mai 1856 (Preuß. Ges. Samml. S. 342) und den
Vertrag vom 28./31. Januar 1856 begründeten Rechtsverhältnisse
zwischen dem preußischen Staat und der Preußischen Bank mit dem 1.
Januar 1876 auf.
§. 12.
Die in den §§. 21, 22, 23 und 25 der Bankordnung vom 5. Oktober 1846
(Preuß. Ges. Samml. S. 435) bestimmten Rechte und Verpflichtungen
der Preußischen Bank, betreffend die Belegung von Geldern der
gerichtlichen Depositorien, der Kirchen, Schulen, Hospitäler und
anderen milden Stiftungen und öffentlichen Anstalten, sowie die auf
Grund jener Bestimmungen hinterlegten Beträge werden mit der
Preußischen Bank auf die Reichsbank übertragen.
Beide Theile behalten sich das Recht der Kündigung mit halbjähriger
Frist unter nachstehenden Maßgaben vor: [218]
1. Wenn und soweit die Kündigung erfolgt, hören die Eingangs
erwähnten Rechte und Verpflichtungen mit dem Ablauf der
Kündigungsfrist für die Zukunft auf und ist alsdann die Rückzahlung
der hinterlegten Gelder zu bewirken.
2. Bezüglich der Gelder aus gerichtlichen Depositorien kann die
Kündigung seitens der preußischen Staatsregierung frühestens am 1.
Februar 1876, seitens des Reichs frühestens am 1. Februar 1877
erfolgen. Die Rückzahlung der beim Ablauf der Kündigungsfrist
hinterlegten Gelder dieser Art erfolgt, abgesehen von den im
laufenden Geschäftsverkehr zu leistenden Rückzahlungen, in fünf
gleichen Raten, welche in aufeinanderfolqenden Fristen von je drei
Monaten fällig sind, und von denen die erste mit dem Ablauf der
Kündigungsfrist zahlbar ist.
Werden die Vorschriften der preußischen Gesetzgebung über die
Unterbringung und Ausleihung von Geldern aus gerichtlichen
Depositorien aufgehoben, so hört vom Tage der Gesetzeskraft dieser
Aufhebung die Verpflichtung zur Belegung solcher Gelder bei der
Reichsbank für die Zukunft auf.
§. 13.
Die im §. 12 vereinbarten Bestimmungen treten nur in dem Falle in
Wirksamkeit, wenn der Königlich preußischen Staatsregierung die
gesetzliche Ermächtigung zum Abschluß eines Vertrages mit dem Reiche
über die Belegung von Geldern der gerichtlichen Depositorien etc. im
Laufe des Jahres 1875 ertheilt wird.
Zu Urkund dessen haben die Unterzeichneten den gegenwärtigen Vertrag
in doppelter Ausfertigung vollzogen.
Friedrichsruh, den 18. Mai 1875.
Berlin, den 17. Mai 1875.
(L. S.)
(L. S.)
Der Reichskanzler.
Der Königlich preußische
Der Königlich preußische
Finanzminister, Vize-Präsident
Minister für Handel, Gewerbe
des Staatsministeriums.
und öffentliche Arbeiten.
v. Bismarck.
Camphausen.
Achenbach
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