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НАИМЕНОВАНИЕ Gesetz, betreffend die Gründung öffentlicher Darlehnskassen und die Ausgabe von Darlehnskassenscheinen
ОПУБЛИКОВАН Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1870, Nr. 30, Seite 499 - 502
ДАТА 21. Juli 1870
ВСТУПАЕТ В СИЛУ 23. Juli 1870
ИСТОЧНИК ИНФ. Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1870, Nr. 30, Seite 499 - 502
ИСТОЧНИК ИНФ. de.wikisource.org
   

(Nr. 540.)

Gesetz, betreffend die Gründung öffentlicher Darlehnskassen und die Ausgabe von Darlehnskassenscheinen

Vom 21. Juli 1870

(Закон о создании общественной Ссудной кассы и выдачи Ссудных кассовых знаков)


Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:
 

§. 1.
An denjenigen Orten innerhalb des Bundesgebietes, an welchen sich ein Bedürfniß dazu herausstellt, sollen auf Anordnung des Bundeskanzlers, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes für Handel und Verkehr, Darlehnskassen errichtet werden mit der Bestimmung, zur Abhülfe des Kreditbedürfnisses, vorzüglich zur Beförderung des Handels und Gewerbebetriebes gegen Sicherheit Darlehne zu geben.
Zur Vermittelung der Darlehnsgeschäfte und zur Bildung von Depots können die Darlehnskassen an geeigneten Orten Agenturen errichten.
 

§. 2.
Für den ganzen Betrag der bewilligten Darlehne soll unter der Benennung „Darlehnskassenscheine“ ein besonderes Geldzeichen ausgegeben werden. Es vertreten diese Scheine in Zahlungen die Stelle des baaren Geldes; sie werden bei allen Bundeskassen, sowie bei allen öffentlichen Kassen in sämmtlichen zum Norddeutschen Bunde gehörigen Staaten nach ihrem vollen Nennwerthe angenommen; im Privatverkehr tritt ein Zwang zu deren Annahme nicht ein.
Es darf kein Darlehnskassenschein ausgegeben werden, für welchen nicht nach der Bestimmung des §. 4. genügende Sicherheit gegeben worden ist. Der Gesammtbetrag der Darlehnskassenscheine soll 30 Millionen Thaler nicht übersteigen.
Vor ihrer Ausgabe ist eine genaue Beschreibung derselben öffentlich bekannt zu machen. [500]
 

§. 3.
Die Darlehen können nur im Betrage von wenigstens 50 Thlrn., in der Regel nicht auf längere Zeit als auf drei und nur ausnahmsweise bis zu sechs Monaten gewährt werden.
 

§. 4.
Die Sicherheit kann bestehen:
a) in Verpfändung innerhalb des Bundesgebietes lagernder, dem Verderben nicht ausgesetzter Waaren, Boden- und Bergwerks-Erzeugnisse und Fabrikate in der Regel bis zur Hälfte, ausnahmsweise bis zu zwei Dritteln ihres Schätzungswerthes nach Verschiedenheit der Gegenstände und ihrer Verkäuflichkeit;
b) in Verpfändung von Werthpapieren, welche vom Norddeutschen Bunde oder von der Regierung eines Bundesstaates oder unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften von Korporationen, Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien, welche im Gebiete des Norddeutschen Bundes ihren Sitz haben, ausgegeben sind, mit einem Abschlage vom Kurse oder marktgängigen Preise. Papiere, welche nicht auf den Inhaber lauten, müssen der Darlehnskasse cedirt werden.
 

§. 5.
Fabrikate, welche einem bedeutenden Preiswechsel unterliegen, werden nur dann als Unterpfand angenommen, wenn sich zugleich eine dritte sichere Person für die Erfüllung des Darlehnsvertrages verbürgt.
 

§. 6.
Bei Waaren, Boden- und Bergwerks-Erzeugnissen und Fabrikaten, welche nach ihrer Natur oder nach der in Handelsstädten üblichen Art der Aufbewahrung oder weil sie sich nicht in Gewahrsam des Verpfänders befinden, entweder gar nicht oder doch nicht ohne erhebliche Schwierigkeit und Kosten dem Pfandgläubiger körperlich übergeben werden können, darf ausnahmsweise, ohne Rücksicht auf etwa entgegenstehende Bestimmungen der Landesgesetze, die Verpfändung durch symbolische Uebergabe verwirklicht werden.
 

§. 7.
Der Zinsfuß bei der Bewilligung der Darlehne darf der Regel nach nicht unter den für den Lombardverkehr der Preußischen Bank bestehenden Sätzen bestimmt werden.
 

§. 8.
Das Unterpfand haftet für Kapital, Zinsen und Kosten; diese letzteren Nebenforderungen können von der Darlehnssumme sogleich gekürzt werden. [501]
 

§. 9.
Wird zur Verfallzeit nicht Zahlung geleistet, so kann die Darlehnskasse durch einen ihrer Beamten oder einen vereideten Makler das Unterpfand verkaufen und sich aus dem Erlöse bezahlt machen. Selbst erwerben kann die Darlehnskasse das Unterpfand nur im Wege des Meistgebots bei einem öffentlichen Verkauf. Die Eintragung des Darlehnsvertrages in die Bücher der Darlehnskasse hat die rechtliche Wirkung einer öffentlichen Urkunde.
 

§. 10.
Auch wenn der Schuldner in Konkurs geräth, bleibt die Darlehnskasse zum außergerichtlichen Verkauf des Unterpfandes berechtigt.
 

§. 11.
Die Darlehnskassen bilden selbstständige Institute mit den Eigenschaften und Rechten juristischer Personen. Sie genießen Freiheit von Stempeln und Sporteln.
 

§. 12.
Die Verwaltung der Darlehnskassen übernimmt für Rechnung des Bundes unter der oberen Leitung des Preußischen Finanzministers die Preußische Bank, jedoch mit strenger Absonderung von ihren übrigen Geschäften. Die allgemeine Administration wird in Berlin durch eine besondere Bankabtheilung unter der Benennung „Hauptverwaltung der Darlehnskassen“ geführt. Außerdem wird für jede Darlehnskasse ein besonderer von ihr ressortirender Vorstand ernannt, wozu auch Mitglieder des Handels- oder Gewerbestandes gehören sollen.
Das Interesse des Bundes wird bei jeder Darlehnskasse durch einen besonderen Bundesbevollmächtigten vertreten, welcher von der Regierung desjenigen Bundesstaates, in dessen Gebiete die betreffende Darlehnskasse belegen ist, ernannt wird.
 

§. 13.
Die Eröffnung der Darlehnskassen ist nebst dem Namen des Bundesbevollmächtigten und der Mitglieder des Vorstandes durch die für amtliche Bekanntmachungen bestimmten Blätter zur allgemeinen Kenntniß zu bringen.
 

§. 14.
Von den Vorstandsmitgliedern aus dem Handels- oder Gewerbestande haben stets je zwei im wöchentlichen Wechsel die Geschäfte der Darlehnskassen zu begleiten und die Beobachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes zu überwachen.
 

§. 15.
Der Bundesbevollmächtigte muß von sämmllichen Geschäften Kenntniß nehmen, und hat bei allen Anträgen auf Bewilligung von Darlehnen das Versagungsrecht. Die Bestimmung des Abschlags von dem Kurse oder marktgängigen Preise der verpfändeten Papiere steht nach Anhörung des Vorstandes dem Bundesbevollmächtigten zu. [502]
 

§. 16.
Der Zinsertrag der Darlehnskassen soll nach Abzug der Verwaltungskosten zur Deckung etwaiger Ausfälle und zur Wiedereinlösung der Darlehnskassenscheine verwendet werden. Ein etwaiger Ueberschuß fällt der Bundeskasse zu.
 

§. 17.
Die Darlehnskassenscheine werden auf Beträge von 5 Rthlr., 10 Rthlr. und 25 Rthlr. ausgestellt. Ueber das Verhältniß, in welchem bei der Ausgabe von 30 Millionen Thaler von den einzelnen Abschnitten Gebrauch zu machen ist, werden von dem Preußischen Finanzminister maaßgebende Bestimmungen getroffen.
Die Darlehnskassenscheine werden von der Preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden ausgefertigt und nach der Anordnung des Preußischen Finanz-Ministers den Darlehnskassen übergeben.
Die Kontrole über die Ausfertigung und Ausgabe der Darlehnskassenscheine übt die nach dem Gesetze vom 19. Juni 1868. (Bundesgesetzbl. S. 339) eingesetzte Bundesschulden-Kommission.
Der Preußische Finanzminister hat den Betrag der umlaufenden Darlehnskassenscheine monatlich zur allgemeinen Kenntniß zu bringen.
 

§. 18.
Sobald das Bedürfniß zur Fortdauer einer Darlehnskasse nicht mehr besteht, hat der Bundeskanzler deren Auflösung zu verfügen und öffentlich bekannt zu machen.
Nach Erfüllung des Zweckes der Darlehnskassen, spätestens in drei Jahren, sollen alle Darlehnskassenscheine wieder eingezogen werden.
 

§. 19.
Wer einen Darlehnskassenschein nachmacht oder verfälscht, oder dergleichen nachgemachte oder verfälschte wissentlich verbreitet oder verbreiten hilft, hat die gesetzliche Strafe der Fälschung von Papiergeld und, in Ermangelung besonderer Strafvorschriften über diesen Gegenstand, die Strafe der Fälschung öffentlicher Urkunden verwirkt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes-Insiegel.
Gegeben Berlin, den 21. Juli 1870.
 

(L. S.) Wilhelm.

Gr. v. Bismarck-Schönhausen.

 

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